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Brennende Wälder. Drängende Probleme.

Veröffentlicht am: 24. April 2023

Waldbrände stellen eine der größten Herausforderungen für die Waldwirtschaft in Baden-Württemberg dar. Das Symposium der HFR widmete sich diesem wichtigen Thema und beleuchtet die Herausforderungen und Chancen für beide Parteien.

Erneut haben mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein öffentliches Dialogangebot der HFR angenommen. Dieses Mal ging es um die zunehmende Waldbrandgefahr und die vielen noch offenen Fragen zur Prävention und zur wirksamen Brandbekämpfung sowie um die Kommunikation und Arbeitsteilung zwischen den Feuerwehren, den Forstverwaltungen, den Kommunen und den Waldbesitzenden.

Wie schon im Februar, als in Rottenburg die thermische Nutzung von Holz diskutiert wurde, erwies sich auch zum Thema „Waldbrand“ das Format „Hochschule im Dialog“ der HFR als Volltreffer: im Rahmen eines straffen Zeitplans und in insgesamt nur drei Stunden – buchstäblich zwischen dem Feierabend und der Primetime des Fernsehabends - werden in diesem Format aktuelle Themen diskutiert, Argumente ausgetauscht, Kontakte geknüpft und Lösungsansätze erörtert. Zunächst zwischen Fachleuten und dann mit dem Auditorium.

Anders als bei den vorausgegangenen Veranstaltungen war die Festhalle der Stadt Rottenburg, in die man wegen des großen Andrangs ausgewichen war, überwiegend von Uniformträgerinnen und –trägern geprägt. Allerdings nicht in erster Linie von solchen aus dem Forstdienst, sondern vor allem von Feuerwehrleuten. Vor und hinter der Halle hatten die Veranstalter in Zusammenarbeit mit acht Feuerwehren aus ganz Baden-Württemberg eine Fahrzeug- und Geräte-Ausstellung organisiert, die zeigte, wie sich die Wehren im Land technisch auf die zunehmende Gefahr von Wald- und Vegetationsbränden vorbereiten. „Star“ dieser Ausstellung und im Mittelpunkt des Interesses war das Waldbrand-Tanklöschfahrzeug nach Fachempfehlung des Deutschen Feuerwehrverbands und der Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren auf der Basis eines UNIMOG, den die Feuerwehr Stuttgart mit nach Rottenburg gebracht hatte.

Allerdings wurde schon durch das Impulsreferat von Josef Huber, einem der Bezirksfeuerwehrkommandanten Niederösterreichs und im bürgerlichen Beruf Glasermeister, mit dem die Veranstaltung im Saal eröffnet wurde, deutlich, dass im Falle eines sich rasch ausdehnenden Waldbrandes weit mehr Gerät erforderlich ist als die bislang noch wenigen und im ganzen Land verteilten geländetauglichen Spezialfahrzeuge. Huber berichtete mit eindrücklichen Bildern und zwei Kurzfilmen von einem Einsatz, den er 2021 in seinem Bezirk in der Nähe von Wien zu leiten hatte und den er sich davor so nie hätte vorstellen können. Der Einsatz dauerte mehr als zehn Tage und brachte selbst die vergleichsweise gut ausgestattete und vorbereitete Feuerwehr in Österreich an ihre Grenzen. Und das, obwohl phasenweise 13 Helikopter mit Tragelastkapazitäten von über 3000 Litern Wasser sowie, auf der Basis internationaler Unterstützungsabkommen, zwei Löschflugzeuge aus Italien zum Einsatz kamen. Die zuhörenden Feuerwehrleute aus ganz Baden-Württemberg waren jedoch schon von „kleineren Details“ in Hubers Bericht sehr beeindruckt: So verfügt der Feuerwehrbereich Süd des Bundeslandes Niederösterreich über vier eigene Pickup-Fahrzeuge mit kleinen Löscheinheiten, zwei geländetaugliche Quads und vier umgebaute und allradgetriebene LKW, die sowohl im Wald als auch für Innenbrände in bebauten Gebiet eingesetzt werden können. Eine ganz besondere Wahrnehmung erzielten aber die Bilder von der persönlichen Schutzausrüstung und der leichten Schutzbekleidung für die eingesetzten Feuerwehrfrauen und –männer. Was in Österreich in zweifacher Ausführung pro Person längst Standard ist, soll hierzulande erst nach und nach kommen. Noch müss(t)en die Wehren bei Waldbrandeinsätzen die viel zu schwere Schutzkleidung tragen, die für den Innenbrand entwickelt wurde, für Ölunfälle eher unnötig und für Waldbrandeinsätze ungeeignet ist.

Solche Unterschiede und andere Fragen wurden in den beiden anschließenden Gesprächsrunden auf dem Podium weiter vertieft. Teilnehmende dieser beiden Podien waren Forstleute und Feuerwehrleute, in deren Zuständigkeitsbereichen bereits Fortschritte in der Zusammenarbeit gemacht und in der Praxis erprobt wurden. Das gilt u.a. für die Region Karlsruhe, in der die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) eine „Modellregion“ etabliert hat, oder für Freiburg, wo sich das städtische Forstamt eng mit der Berufsfeuerwehr abstimmt sowie die Forstwirte und den Leiter des Reviers Schauinsland so ausgebildet und ausgestattet hat, dass diese im Falle eines beginnenden Brandes schon sachkundig eingreifen können, bevor die Feuerwehr im Wald ankommt. Das Landes-Innenministerium war durch den Abteilungsleiter a.D. Hermann Schröder vertreten, der selbst aktiver Feuerwehrmann ist und zuletzt eine Expertenkommission zu den Bränden in Sachsen im Sommer 2022 geleitet hat. Das Landes-Forstministerium (MLR) schickte den Ministerialbeamten Sebastian Waidmann, der bei der freiwilligen Feuerwehr im Landkreis Karlsruhe aktiv ist.

In den von Prof. Dr. Dirk Wolff und Prof. Dr. Bastian Kaiser moderierten Gesprächen wurde deutlich, dass die Zeit drängt, dass die Kommunikation zwischen Wald und Wehr landesweit noch nicht gut abgestimmt und so gut wie nicht standardisiert ist, dass es im ganzen Land zwar kluge Ideen, Vorarbeiten und auch schon Lösungen für einige der häufigen Probleme gibt, diese aber vor allem auf der fast legendären Improvisationsfähigkeit der Feuerwehren basieren und nur selten planmäßig anderen bekannt gemacht werden. So haben sich viele Wehren längst z.B. eigene Lösungen geschaffen, um die großen Güllefässer der Landwirte ihrer Region im Ernstfall mit den Schläuchen und Pumpen verbinden und so ganz erhebliche zusätzliche Wassermengen in Brandnähe bringen zu können. Ab Werk passen die Schlauchkupplungen nämlich nicht zu denen der landwirtschaftlichen Geräte. In manchen Regionen hat man sich miteinander Gedanken dazu gemacht, welche Fahrzeuge und Geräte der Forstwirtschaft im Brandfalle hilfreich eingesetzt werden könnten – immerhin verfügt man über Spezialfahrzeuge und Fahrer mit guten örtlichen Kenntnissen. In anderen Forst- und Feuerwehrbezirken sind solche Informationen nicht so hinterlegt, dass die Einsatzleitung der Feuerwehr darauf zugreifen kann. Im Einzelfall könnte sich auch die Frage stellen, ob aus feuerwehrtaktischen Erwägungen ein Waldbereich zur Sicherung eines anderen, vielleicht wertvolleren Areals „geopfert“ werden sollte. Und welche Rolle spielen die zunehmenden Waldkindergärten und die Erholungseinrichtungen in der Einsatzplanung bisher?

Vielleicht können die Tandems aus je einem Feuerwehrmann oder einer Feuerwehrfrau sowie einem Förster oder einer Försterin in jedem Landkreis, die der Abteilungsleiter der FVA, Dr. Christoph Hartebrodt, als ein Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojekts in Rottenburg vorgestellt hat, zu Verbesserungen beitragen. Das bleibt abzuwarten.

Andere Herausforderungen können dagegen nicht abgewartet werden, sondern müssen dringend gelöst werden. Dazu zählen die Verfügbarkeit geeigneten digitalen und analogen Kartenmaterials für die Feuerwehren, die Verbesserung gegenseitigen Wissens und Verständnisses, die Weiterentwicklung der technischen und persönlichen Ausrüstung auf beiden Seiten und auch passgenaue Schulungs- und Übungsangebote für Feuerwehr- und Forstleute. Auch die Aufbereitung und Zurverfügungstellung von Erfahrungen beider Seiten aus anderen Regionen Deutschlands oder aus anderen Ländern ist dringend geboten. Es genügt nicht, dass solche Erfahrungen vorliegen, sie müssen die Zielgruppen erreichen und für diese verständlich sein.

Die HFR wurde bei der Realisierung dieser Veranstaltung vom ehemaligen Leiter der Berufsfeuerwehr Reutlingen, Harald Herrmann, unterstützt. Seine Verbindungen waren wichtig, um als Hochschule für Forstwirtschaft bei den Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehren ernst- und als attraktiver Partner zur Bewältigung der zahlreichen noch offenen Fragen wahrgenommen zu werden. Das macht deutlich, dass man zwar längst ein Problem teilt, sich aber Feuerwehren und Forstleute, abgesehen von persönlichen und manchmal zufälligen Kontakten - und abgesehen von den Kolleginnen und Kollegen, die „beide Uniformen im Schrank haben“ - doch noch immer fremd sind. Gerade solchen Personen, die eine forstliche Ausbildung und die Feuerwehrausbildung durchlaufen haben und denen, die wie Josef Huber aus Niederösterreich oder die Ausbilderin der Landesfeuerwehrschule Susanne Mützel in Griechenland selbst schon in großen Waldbrandeinsätzen aktiv waren, könnte eine besondere - eine beide Seiten verbindende Rolle zufallen. Sie haben mit ihren Erfahrungen auch die Veranstaltung in Rottenburg bereichert.

Mit der in diesem Zuschnitt neu geschaffenen Professur für Forstschutz und Risikomanagement, auf die zum Jahresbeginn Frau Professorin Dr. Angela Siemonsmeier berufen werden konnte, hat die Hochschule eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, in diesem Kontext und für den Transfer geeigneter Lösungen in die Waldwirtschaft und in die Feuerwehren eine zentrale Rolle spielen zu können. Das machte Angela Siemonsmeier auch schon in ihrer souveränen Moderation durch die Veranstaltung klar. Dabei wird ihr und der HFR auch die inzwischen langjährige Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr Frankfurt am Main helfen, die vom Professor für Waldarbeit und Forsttechnik der HFR, Prof. Dr. Dirk Wolff, Anfang der 2000er Jahre angestoßen und seitdem gepflegt wird. Aber auch andere Professuren der HFR werden dabei immer wieder gefragt sein. Das gilt für den Kompetenzbereich Holz und Holzbau, der sich u.a. mit dem Brandschutz und der Feuerfestigkeit von Dämmstoffen an Gebäudefassaden beschäftigt, für den Bereich der erneuerbaren Energien, weil immer mehr der für unsere Energieversorgung notwendigen kritischen Infrastruktur in den Wäldern verlegt oder dort installiert wird – so z.B. die Windräder –, es gilt selbstverständlich für den Kompetenzbereich des Ressourcenmanagements Wasser, den Waldbau für präventive Maßnahmen, das Forstbetriebsmanagement, die Forsteinrichtung, die Forsttechnik, das forstliche Geodaten-Management sowie für die forstliche Ökonomie und Waldwertrechnung hinsichtlich operativer Empfehlungen und Abstimmungen mit der Feuerwehrarbeit.

Diese breite Aufstellung will die HFR zukünftig noch besser nutzen, den Feuerwehren besser bekanntmachen und sich ihnen als Partnerin anbieten. Die Rückmeldungen vieler der Gäste in der Festhalle Rottenburg zeigen, dass der Wunsch nach solchen Kooperationen groß und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit gegeben ist. Die schon lange bestehenden Kontakte und die durch diese Veranstaltung neu hinzugekommenen Verbindungen zu Feuerwehren im ganzen Land sollen genutzt und weiterentwickelt werden. Im Bereich der Schulungen kann das z.B. in enger Abstimmung mit der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal erfolgen.

„Als wir uns 2008 mit dem Vorschlag an die Bundes-Innenministerkonferenz gewandt haben, sich dem Thema Waldbrand stärker und in einer bundesweit koordinierten Weise zu widmen, wurde uns noch mitgeteilt, dass das allenfalls in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ein Thema sei“, berichtet Rektor Bastian Kaiser.

Dem habe man kaum widersprechen können - man sei einfach „zu früh dran“ gewesen. Das habe sich nun aber erkennbar geändert.

Am Ende der Veranstaltung fühlt sich Prof. Kaiser an das bekannte Zitat aus dem Epilog von „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht erinnert, das leicht verändert als gute Zusammenfassung des Abends so lauten könne: „Wir stehen und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Das sei jedoch angesichts der wertvollen Vorarbeiten, des hohen Interesses auf beiden Seiten, der erkennbaren Kooperationsbereitschaft, der inzwischen ausgezeichneten Kontakte und der damit insgesamt guten Ausgangslage für die HFR keineswegs enttäuschend oder ernüchternd, sondern eben gerade für eine Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) eine reizvolle Herausforderung, der man sich weiter und noch engagierter stellen werde als bisher. Zwar sei die flankierende Grundlagenforschung wichtig, die z.B. Szenarien zur Waldbranddynamik entwickelt und versucht, „Waldbrand-Hotspots“ vorherzusagen. Oder Forschungen zu relevanten Unterschieden klimaresilienter Wälder im Vergleich zur Brandgefahr heutiger Waldgesellschaften. Es dürfe aber auch nicht versäumt werden, das Vorhandene zu sichten, zu dokumentieren, Lösungen zu standardisieren und vor allem sie bekanntzumachen.

Die Präsentationen der Referenten finden Sie hier:

Live-Mitschnitt der Veranstaltung