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Was liegt näher?

Veröffentlicht am: 06. März 2017

Ein althergebrachtes Mittel soll in ‚neuem Gewand‘ Hochschule und Einzelhandel in Rottenburg einander näher bringen.

Die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR) hat ihre Studierendenzahl in wenigen Jahren von 300 auf 1.100 gesteigert. Und auch die Anzahl der Beschäftigten am Schadenweilerhof ist von ca. 40 Personen auf über 100 angestiegen. Die Vermieter von Zimmern und Wohnungen sowie die Investoren der vielen privaten Studentenwohnheime haben das längst erkannt und für sich genutzt. Nun wollen sich auch die Hochschule und der Rottenburger Einzelhandel als Partner „entdecken“ und fördern.

Was viele Häuslebesitzer in der Region schon seit Jahrzehnten wissen, wovon das örtliche und regionale Handwerk immer stärker profitiert, was zu neuen Herausforderungen für den öffentlichen Nahverkehr geführt hat und was zahlreiche Investoren in den vergangenen Jahren durch die Schaffung studentischen Wohnraums für sich zu nutzen wussten, haben Studierende der Hochschule nun in einer einfachen Impact-Studie buchstäblich „in Heller und Pfennig“ vorgerechnet: Die HFR ist längst zu einem bemerkenswerten Wirtschafts- und Standortfaktor für die Stadt und ihre Umgebung herangewachsen.

In einem jährlichen Umfang von fast sieben Millionen Euro, so schätzen die Studierenden profitiert die Stadt Rottenburg am Neckar und ihre engere Umgebung jedes Jahr mittelbar und unmittelbar von der Hochschule. Dabei wurden vor allem die einfach zu ermittelnden, direkten Ausgaben der Hochschule und ihrer Mitglieder sowie die direkten öffentlichen Zuschüsse an die Stadt erfasst. Andere Aspekte, die schwerer in Geld zu messen sind und nicht direkt zu Geldflüssen führen – wie der von der Hochschule profitierende Ruf der Stadt und ihre steigende Bekanntheit -, wurden nicht berücksichtigt. Auch die direkten und indirekten Wertschöpfungspotentiale aus den Forschungsprojekten, die die Hochschule mit Unternehmen der Region durchführt, blieben in dieser vereinfachenden Rechnung (noch) außen vor.

Die hohe regionalwirtschaftliche Bedeutung der Hochschule steht in einem seltsamen Widerspruch zu ihrer Wahrnehmung in der Bevölkerung, wo sie nach wie vor liebevoll als „D´ Forstschul“ oder „Dr. Schadaweiler“ bezeichnet wird und ihre dynamische Entwicklung weitgehend unbemerkt geblieben ist. Und auch der Einzelhandel in der Stadt scheint die „neue Kundschaft“ noch nicht für sich entdeckt zu haben.

„Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen, wie einzelnen Gaststätten und dem Kino Waldhorn, die mit speziellen Angeboten auf unsere Studierenden zugehen, scheint sie der Einzelhandel in der Stadt bisher kaum als Kundschaft entdeckt zu haben“, meint Rektor Bastian Kaiser, “und umgekehrt kriegen viele unserer Studierenden nicht mit, was sie in der Stadt und in den Sortimenten des Einzelhandels so alles verpassen. Das ist schade und muss geändert werden.“

In einem gemeinsamen Projekt wollen der Handels- und Gewerbeverein (HGV) und die HFR deshalb einen Wettbewerb unter Schülerinnen und Schülern, Auszubildenden und Studierenden in der Stadt ausloben, dessen Ergebnis eine moderne Variante der „guten alten Litfaßsäule“ sein soll.

„Forstwirtschaft und Litfaßsäule haben einiges gemeinsam“, erklärt das HGV Vorstandsmitglied Elmar Wütz schmunzelnd, „sie basieren auf einer lange zurückliegenden Zeit und können wichtige Hinweise auf die Zukunft geben. Wir stellen uns vor, dass die jungen Leute das alte Konzept quasi `neu erfinden´ – unter Verwendung des Werkstoffs Holz, mit oder ohne Beleuchtung, mit autarker Energieversorgung oder ohne und mit cleveren Ideen für die spätere Pflege und Aktualisierung der Nachrichten.“

Für die Umsetzung dieser Idee wollen HGV und die Hochschule, am liebsten gemeinsam mit der Stadt und anderen Akteuren, eine Jury zusammenstellen, die zunächst die Ausschreibung des Wettbewerbs und seine Spielregeln festlegt, den Preis für die oder den Gewinner sowie Mittel für die Realisierung der besten Idee einwerben soll. Ziel ist es, die „Gewinner-Litfaßsäule“ später auch tatsächlich an zwei zentralen Plätzen in der Stadt und mindestens einmal auf dem Campus der Hochschule aufzustellen. Auf diese Weise könnten z.B. der Einzelhandel, Vereine, die Kirchen, die Stadt, die Volkshochschule und die Gastronomie auf sich und ihre Angebote aufmerksam machen und umgekehrt die Hochschule auch „unten in der Stadt“ auf Neuigkeiten vom Schadenweilerhof hinweisen.

So könnte es mehr als 160 Jahre, nachdem in Berlin die ersten 100 „Annoncier-Säulen“ als wirksame Maßnahme gegen das wilde Plakatieren aufgestellt wurden, zu deren Neuauflage (im wahrsten Wortsinne) unter veränderten Vorzeichen in Rottenburg kommen. Es ist unwahrscheinlich, dass die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am geplanten Wettbewerb selbst noch Litfaßsäulen im Stadtbild und in Funktion gesehen haben – und es ist weder wahrscheinlich, noch von den Initiatoren gewollt, dass sie sich ein solches Medium heute genauso vorstellen, wie sie Ernst Litfaß im Jahr 1854 plante. Sie sollen sich vielmehr im Rahmen des Wettbewerbs mit deren zeitgemäßen Gestaltung, mit den verwendeten Materialien, mit rechtlichen Aspekten der Aufstellung sowie mit Konzepten befassen, die es erlauben, die „Informationssäulen“ mit möglichst wenig Aufwand aktuell zu halten.

Dabei soll auch über eine mögliche Beleuchtung, über die Wetterfestigkeit und den Aspekt der Nachhaltigkeit nachgedacht werden. Die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer können sich in Teams oder alleine der Aufgabe stellen, sie kann als Schul- oder Ausbildungsprojekt, mit oder ohne Anleitung oder auch als Ferienaktivität erarbeitet werden.

„Wenn wir schnell genug genügend Unterstützer und Sponsoren für den Wettbewerb und die Idee finden, würden wir das Gewinnermodell gerne im Spätjahr präsentieren und den Vorschlag 2018 auch tatsächlich umsetzen“, bekräftigen die Initiatoren, „wer weiß, vielleicht starten wir damit eine ähnliche 100jährige Erfolgsgeschichte wie Herr Litfaß und die Berliner Polizei vor mehr als eineinhalb Jahrhunderten.“

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte per E-Mail an <link>martin-jacob@hs-rottenburg.de  oder an <link>info@hgv-rottenburg.de