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Ostasien weiterhin wichtiger Partner des forstlichen Austauschs

Veröffentlicht am: 23. Oktober 2023

Schnittholz, unbesäumt

Nachdem Covid-19 die internationalen Reiseaktivitäten an und von der HFR nahezu zum Erliegen gebracht hatte, konnte nun wieder die alljährliche, deutsch-japanische Summerschool mit 35 Studierenden und Professoren der vier Partnerhochschulen in Japan durchgeführt werden.

In einem einwöchigen Intensivprogramm zur Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg erfuhren die Teilnehmenden in zahlreichen Vorträgen und Exkursionen viel Wissenswertes über die Wälder und den ländlichen Raum im Südwesten. Naturnahe Waldbewirtschaftung und dazu mit werthaltigen Laubhölzern steckt in Japan noch in den Kinderschuhen, wird aber mit Blick auf den Klimawandel und die Frage der Biodiversität und Stabilität der Wälder zunehmend relevant. „Für den Großteil der Studierenden ist es ein völlig neues Erlebnis in einem Wald mit 200-jährigen Eichen zu stehen und zu erfahren, welche Erlöse sich mit den besten Qualitäten erzielen lassen. In Japan wird die Eiche traditionell in kurzem Umtrieb für die Erzeugung von Holzkohle oder als Schwachholz für die Pilzzucht verwendet“, so Prof. Sebastian Hein, der seit 15 Jahren den Austausch mit Japan an der Hochschule in Rottenburg verantwortet. Weiter erfuhren die Gäste aus Japan einiges zur traditionellen Kulturlandschaft der Streuobstwiesen am Albtrauf und konnten hier einige Parallelen zu Japan entdecken, deren als „satoyama“ bezeichnete Kulturlandschaften sich auch einem starken Veränderungsprozess unterziehen, unter anderem ausgelöst durch den demographischen Wandel. Hier wie dort fehlt es der ländlichen Bevölkerung an jungen, motivierten Menschen, die sich mit den Kulturlandschaften identifizieren und diese pflegen.

Die Besichtigung moderner Holzerntetechnik mittels Großmaschineneinsatz ist für die technikaffinen Asiaten immer ein Höhepunkt der Summerschool. Der Abschluss fand in diesem Jahr erstmals in Freiburg statt, wo neben dem Waldhaus und dem Stadtwald auch die Forstliche Versuchsanstalt besucht wurde. Auch erhielten die Gäste aus Japan in Freiburg einen wichtigen Einblick in die dortige nachhaltige Stadtentwicklung und den modernen, mehrgeschossigen Holzbau, der in Japan aufgrund Brandschutzbestimmungen noch nicht vergleichbar entwickelt ist. Das überrascht besonders, weil gerade Japan zu den Nationen mit der längsten Tradition des Holzbaus gehört und über 80% der Privathäuser in Japan in Holzrahmenbauweise gefertigt werden.  

Über den aktuellen Entwicklungsstand des Holzbaus in Japan konnten sich der Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Bastian Kaiser, und der für die Japan Projekte zuständige Mitarbeiter Christoph End im Rahmen einer Delegationsreise des Landwirtschaftsministers Peter Hauk (MLR) nach Japan und Südkorea in der ersten Oktoberwoche selbst vor Ort informieren. Das MLR hatte Experten aus Politik und Verwaltung sowie Unternehmerinnen und Unternehmer aus den Sektoren Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Forstwirtschaft zu einer fünftägigen Reise nach Tokyo, Gifu und Seoul eingeladen. Die HFR stand dabei als Türöffner und Co-Organisator für die zahlreichen Termine in Japan zur Seite. Am ersten Tag erhielten die Teilnehmenden einen sehr komprimierten Einblick in die Megalopolis Tokyo und wurden durch den Architekten Terao Sanada (Kuma Kengo Associates) zu Holzbau-Leuchtturmprojekten begleitet, so zum Beispiel zum neuen Nationalstadion, das anlässlich der Tokyo Olympiade mit einem großen Anteil an Holzelementen errichtet worden war. Zentrales Ziel war jedoch der Besuch der Partnerakademie GAFSC in Gifu, einer sehr ländlichen und waldreichen Präfektur in Zentraljapan. Dort war 2021 in Anlehnung an das Haus des Waldes in Stuttgart feierlich das waldpädagogische Bildungszentrum „Morinos“ eröffnet worden, zu dessen Einweihung keine Gäste aus Baden-Württemberg anreisen konnten. Die Teilnehmer zeigten sich begeistert von dem didaktischen Konzept dieser für Japan einmaligen Einrichtung. Aber auch die bauliche Umsetzung mittels traditioneller Techniken und dennoch höchsten Energiestandards stießen bei den Besuchern aus Deutschland auf Beachtung.

Prof. Hagiwara, zuständig für den Bereich Waldpädagogik und Umweltbildung, nutzte die Gelegenheit und lud den Minister und alle Delegationsmitglieder zu einem gruppendynamischen Aktionsspiel ein. So vermittelte er anschaulich einen wichtigen Teil seiner Arbeit in Japan mit Pädagogen, Eltern und Kindern. Hier konnten die Teilnehmer ein ganz zentrales Ergebnis des jahrelangen Austauschs zwischen der HFR und der Akademie in Gifu erfahren. Auch zeigte der abendliche Empfang beim Gouverneur der Präfektur, Herr Hajime Furuta, die Wertschätzung und Verbundenheit gegenüber den Gästen aus Baden-Württemberg. Es konnten auf höchster politischer Ebene weitere Themen und Felder der Kooperation, z.B. im Agrarbereich, für eine zukünftige Kooperation identifiziert werden.

Für die HFR ist die GAFSC in Gifu seit fast zehn Jahren ein verlässlicher Partner. Regelmäßig finden gegenseitige Besuche von Studierenden statt und in zahlreichen Workshops werden Lösungen für gemeinsame Herausforderungen gesucht, so auch im kommenden November, wenn Prof. Beimgraben für einen Workshop zum Thema Wildtiermanagement nach Japan eingeladen ist.

Wenn zwar in der Vergangenheit vereinzelt Forstexperten aus Südkorea an der HFR waren, so fehlte es bislang an einer formellen Kooperation mit einer der forstlichen Fakultäten oder gar der staatlichen Forstversuchsanstalt (NIFOS). So konnte die Reise nach Seoul dazu genutzt werden, mögliche Partner zu treffen und Kooperationen anzuregen. Hier gilt es, diese Kontakte von Prof. Hein (2017) nun zu vertiefen und über Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu beraten. Besonders mit Blick auf das 50. Jährige Jubiläum der forstlichen Kooperation zwischen Deutschland und Südkorea im kommenden Jahr, lohnt es sich für die zunehmend an Bedeutung gewinnende Internationalisierung der Hochschule Rottenburg, Südkorea auch forstlich die verdiente Aufmerksamkeit zu widmen. „Von diesen Reisen und dem Austausch mit den Fachkollegen vor Ort können wir nur profitieren“, so das Fazit von Rektor Kaiser, „nur der fachliche Austausch auf allen Ebenen und über die Grenzen hinweg, wird es den kommenden Generationen ermöglichen, wirklich nachhaltige und global gültige Lösungen zu entwickeln.“

Ein erster Schritt könnte zum Beispiel die Erweiterung der deutsch-japanischen Summerschool hin zu einer deutsch-japanisch-koreanischen im kommenden Jahr sein.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Bastian Kaiser
bkaiser@dont-want-spam.hs-rottenburg.de

Christoph End
end@dont-want-spam.hs-rottenburg.de

Prof. Dr. Sebastian Hein
hein@dont-want-spam.hs-rottenburg.de