In allen Wipfeln spürest Du kaum einen Hauch?
Veröffentlicht am: 05. Dezember 2023
Exkursion am 22.11.2024 zu einem Windpark in Sulzbach-Laufen im Landkreis Schwäbisch Hall
Foto: Herr Gohl (Uhl Windkraft) und Herr Lang (Forstbezirk Virngrund) erläutern die Standortsuche für Windräder in Wäldern.
1000 Windräder sollen in Baden-Württemberg im Wald in dieser Legislaturperiode neu errichtet werden, 500 davon im Staatswald. Vor wenigen Jahren noch von führenden Landespolitikern als „hässliche Stangenspargel“ verpönt, sind Windkraftanlagen im Wald mittlerweile ein unverzichtbares Standbein der raschen Transformation zu erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg geworden. Windkraftstandorte werden regelmäßig ausgeschrieben, Projektierer und Genehmigungsbehörden sind ausgelastet, Genehmigungsverfahren können inzwischen aufgrund gesetzlicher Änderungen in 2 statt wie früher in 7 Jahren abgeschlossen werden. Windkraftanlagen im Wald werden allerdings in einem sensiblen Ökosystem errichtet; sie verändern auch Abläufe, Personaleinsatz und Wirtschaftsergebnisse von Forstbetrieben.
Alles Gründe genug für 20 Studierende der HFR aus den Studiengängen Master (Kurs Rechtsfragen) und Bachelor Forstwirtschaft, am 22.11.2024 einen Windpark in Sulzbach-Laufen im Landkreis Schwäbisch Hall zu besichtigen, wo bereits mehrere Windräder stehen und weitere auf Flächen der AöR ForstBW gerade errichtet werden.
In die Standortssuche, das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, die Konstruktion und den Betrieb der sieben Anlagen mit je 166 m Nabenhöhe und 5,5 MW Leistung führte uns der Projektleiter der mittelständischen Firma Uhl Windkraft aus Ellwangen, Herr Philip Gohl, mit großer Sachkunde ein. Keine Frage blieb offen. Der Flächeneigentümer, der ForstBW Forstbezirk Virngrund, war durch Herrn Lang vertreten, der zu den forstlichen Positiv- und Negativkriterien der Standortsauswahl, zur Wiederaufforstung vorübergehend umgewandelter Flächen und der Zusammenarbeit mit dem Betreiber umfassend Auskunft gab.
Ein Schwerpunkt der Exkursion waren die Maßnahmen zum Schutz von Arten und deren Lebensräumen. Interessant waren die Ausführungen der beiden Experten zu den heute verfügbaren Warnsystemen, die die Annäherung von Greifvögeln oder von Fledermäusen erkennen und dann die Windräder herunterregeln oder abschalten. Biotope für Gelbbauchunken kennen Rottenburger Studierende hinreichend. Warum auch eine Windradbaustelle Vorkehrungen für den Schutz der Gelbbauchunke umfassen muss, wurde uns hier erklärt: auf jeder Baustelle entstehen Pfützen, deren Besiedlung durch die Unke soll durch Schutzzäune verhindert werden und gleichzeitig werden alternative Wasserstellen als Lebensraum angeboten. Maßnahmen zur Vergrämung der Haselmaus sind dagegen weniger bekannt, aber Standard bei Baumaßnahmen in südwestdeutschen Wäldern. Eine Besonderheit im Windpark Sulzbach-Laufen ist die Neuanlage von Habitaten für den Waldlaubsänger, der in diesem Waldgebiet verbreitet vorkommt. Die Besichtigung eines solchen Habitats löste rege Diskussionen aus, wie ein solches Bestandesbild - Altholz mit lockerem Unter- und Zwischenstand - auf Dauer erhalten werden kann, wie es eine Auflage in der Genehmigung fordert.
Zurück zu J.W. von Goethe und seinem Gedicht Über allen Gipfeln ist Ruh, das so weitergeht: In allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch. Die Vögelein schweigen im Walde. Das beschreibt sicher nicht die aktuelle Situation in baden-württembergischen Wäldern, wo der starke Luftzug über den Wäldern zunehmend zur Energiegewinnung genutzt wird. Dabei geben sich die Beteiligten große Mühe, den Vögeln nicht den Lebensraum zu nehmen und sie zum Schweigen zu bringen. Auch der Waldlaubsänger wird im Umfeld der Windräder über dem Kochertal weiterhin zu hören sein. Goethe würde heute seine Strophe im Angesicht eines Windrades also anders dichten müssen.