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Ghana-Exkursion 2022

Veröffentlicht am: 29. Juni 2022

Blick auf die Stände und Verkäufer des Kaneshie Market

Mit fast zweijähriger, pandemiebedingter Verspätung fand im Zeitraum vom 26.05.2022 bis zum 03.06.2022 die langgeplante Fachexkursion nach Ghana unter Leitung von Prof. Dr. Matthias Friedle und Projektkoordinatorin Nina Schäfer statt.

Ghana gilt - entwicklungspolitisch gesehen - als Musterbeispiel für die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung eines afrikanischen Landes. Das durchschnittlichen Pro-Kopf- Einkommen in Ghana ist seit 2010 stetig gestiegen. Durch diese positive wirtschaftliche Entwicklung hat jedoch auch der Anteil an "Wohlstandsmüll" in Ghana dramatisch zugenommen. Dies zeigt sich z.B. in Form einer allgegenwärtigen Plastikmüllverschmutzung, mit weitreichenden Folgen für Menschen, Tiere und die Umwelt. Ein weiteres Problem stellen die rund 250.000 Tonnen ausrangierten Elektroschrotts dar, die jährlich illegal und als „Wertstoff“ deklariert aus Europa und den westlichen Industriestaaten nach Ghana verschifft werden. Auf dem Elektroschrottplatz Agbogbloshie wird dieser Müll unter katastrophalen Bedingungen weiterverwertet und gehandelt. Vor dem Hintergrund einer stetig wachsenden Bevölkerung, zunehmender Industrialisierung und Urbanisierung fehlt es dem ghanaischen Staat an finanziellen Mitteln und administrativen Kapazitäten, um eine flächendeckende, nachhaltige Abfallwirtschaft zu etablieren. Zudem fehlt es an Umweltbewusstsein innerhalb der Bevölkerung und an innovativen Recycling-Ansätzen.

Die Exkursion, die im Rahmen des BWS plus Projekts „Problem areas and solutions for a sustainable and income-generating waste management in Ghana“ durchgeführt wurde, war Teil einer dreijährigen Hochschul-Kooperation zwischen der HFR und der University of Ghana, bei der die Studierenden aktiv in die in Entwicklung und Umsetzung von Micro-Business-Ansätzen zur Lösung der Abfallproblematik in Ghana eingebunden wurden. Während des 9-tägigen Aufenthalts erhielten sowohl 15 deutsche als auch 15 ghanaische Studierende einen tieferen Einblick in die bestehenden Herausforderungen des ghanaischen Abfallsektors und in gänzlich andere Lebensrealitäten, wobei sich zusätzlich die Möglichkeit eines interkulturellen Wissens-und Kulturaustauschs bot.

Der Auftakt der Exkursion begann mit einer offiziellen Begrüßung am Legon Campus der University of Ghana (UG) und einer anschließenden Tour über das Universitätsgelände, welches in seiner Ausdehnung an die Größe einer Kleinstadt erinnert. Nach einem gemeinsamen, typisch ghanaischen Mittagessen, bei dem sich alle Teilnehmer gegenseitig kennenlernen konnten, folgte ein Besuch des botanischen Gartens mit seiner beeindruckend schönen Flora und Fauna.

Im Rahmen des Exkursionsprogramms wurden in den ersten Tagen zunächst die Ursachen für die Abfall-Problematik identifiziert. Hierbei bot der Besuch auf Agbogbloshie einen intensiven Einstieg ins Thema. Meterhohe Abfallberge, toxische Dämpfe und knöchelhohe Schlamm, schwarzgefärbt durch Öl und Schwermetalle sind die Lebensrealität der dort lebenden Bevölkerung, für die der informelle Schrotthandel als Einkommensquelle dient. Beim Gang über die traditionelle Märkte Ghanas, den Makola Markt und den Kaneshi Markt, auf denen täglich enorme Mengen organischer Abfälle und Plastikmüll generiert werden, wurden die existierenden Missstände im Abfallsektor deutlich sichtbar.

Der nächste Tag bot eine kulturelle Abwechslung zum Fachthema und umfasste den Besuch des Kakum National Parks, der bedrohten Säugetiere wie Waldelefanten, Bongo-Antilopen und Primaten Schutz bietet. Ein Baumkronenpfad, der 30 Meter über dem Boden schwebt, bot einen beeindruckenden Blick auf den tropischen Regenwald. Hier wurde die Bedeutung und der Wert einer intakten Umwelt deutlich, die es durch adäquates Müllmanagement zu schützen gilt. Sehr bewegend war auch der Besuch des UNESCO Weltkulturerbes Cape Coast Castle- eine durch europäische Kolonialisten erbaute Sklavenburg, von der aus zwischen 1505 und 1807 Millionen afrikanische Sklaven in die „Neue Welt“ verschifft wurden.

Der thematische Fokus der folgenden Exkursionstage lag vor allem auf lösungsorientierten Ansätzen zur Müllbewältigung. Beispielsweise partizipierten Studierenden aktiv an einem Glasperlen-Workshops der Fair-Trade-Organisation Global Mamas. Hierbei wurde ein kreativer Ansatz zum Umgang mit Altglas aufzeigt, welches in einem aufwändigen handwerklichen Prozess zu wunderschöne Glasperlen recycled wird. Durch den Weiterverkauf und internationalen Export der Perlenarmbänder erwirtschaften die ghanaischen Kunsthandwerker*innen ein faires Einkommen. Der anschließende Besuch des Unternehmens Jekora Ventures Limited bot einen weiteren Einblick in ein richtungsweisendes Recyclingprojekt. Hier wird aus organischen Markt-Abfällen und Sanitärabwässern nährstoffreicher Kompost herstellt. Außerdem werden Holzabfälle aus Sägewerken und Schreinereien zu hochwertigen Briketts weiterverwertet. Durch den Einsatz geeigneter, effizienter und kostengünstiger Technologien und Dienstleistungen möchte das Unternehmen Arbeitsplätze und Wohlstand durch Ressourcenrückgewinnung und Förderung einer nachhaltigen Abfallwirtschaft schaffen.

Beindruckend war auch die Arbeit einer Hochschulgruppe der University of Ghana, die es sich zum Ziel gemacht haben, den am Campus generierten Plastikmüll sortenrein zu sammeln, um dessen Recycling zu ermöglichen. Hierfür betreiben die Studierenden intensive Aufklärungsarbeit und stellen Sammelbehälter für Plastikflaschen und -tüten auf.

Inspiriert und motiviert von den vielfältigen Eindrücken der Vortage arbeiteten die Studierenden in den letzten beiden Exkursionstagen gemeinsam an der Weiterentwicklung ihrer eignen Microbusiness-Recycling-Ansätze. Es entstand ein Werbefilm für einen Low-Tech-Pyrolyse-Ofen, mit dessen Hilfe Kokosnussschalenreste zu Aktivkohlepulver verkohlt werden können. Ein zweites Projekt beschäftigte sich mit der Umwandlung ausrangierter Autoreifen zu modischen Sitzgelegenheiten. Durch einen Auftritt im lokalen Radio und das Anwerben potentieller Geschäftskunden über Gespräche, Social-Media-Kanäle und Flyer wurde das Produkt Vorort vermarktet.

Nach neun intensiven Tagen war es schließlich Zeit für den Abschied von unseren ghanaischen Partnern, die zu Freunden wurden. Im Gepäck: Allerlei farbenfrohe Stoffe, Gewürze, Souvenirs und viele neue fachliche und kulturellen Eindrücke.

Wer nur zu Hause sitzt, lernt nichts. Du musst hinaus, um zu lernen.“ – Ghanaische Lebensweisheit.