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Schwangere Pinguine und Rindviecher - unterwegs im Stadtwald Herrenberg

Veröffentlicht am: 29. März 2021

Gruppenfoto mit den Exkursionsteilnehmern im Wald

Bei der Auftakt-Exkursion der Forst-Master-Studierenden zum Thema Alt- und Totholzkonzepte führte Revierleiter Winfried Seitz durch den Stadtwald Herrenberg (2.000 ha Fläche). Nach einer Einführung in die Besonderheiten der Waldflächen und die Ziele der Stadt Herrenberg ging es vom Mönchberger Sattel über das „Kaiserwirts-Bergele“ entlang des Naturschutzgebietes Grafenberg hinab ins Kayher Täle.

Die drei Elemente des Alt- und Totholzkonzepts (geschützte Einzelbäume, Habitatbaumgruppen und Waldrefugien) wurden im Bestand präsentiert und die jeweiligen Vorzüge und Nachteile gegeneinander abgewogen. Geschützte Einzelbäume erhalten von Winfried Seitz ein Specht-Symbol per Sprühfarbe – „Bei den Praktikanten sehen diese manchmal aus wie schwangere Pinguine, witzelt Seitz, allerdings wurden meine eigenen Specht-Kunstwerke von Kindern auch schon als Spinnen-Zeichnungen eingestuft! Der Stadtwald Herrenberg nimmt das Thema Ökologie sehr ernst, der Totholzanteil soll steigen, die Artenvielfalt zunehmen. Dafür werden verschiedenste Methoden angewendet. „Naturschutzgebiete sind vorm menschlichen Einfluss zu schützen, aber im Naturpark Schönbuch soll die Natur vom Menschen erlebbar gemacht werden!“, ist Winfried Seitz überzeugt. Als Beispiele dafür zeigte der Stadtwald-Förster einen Hirschkäfer-Meiler sowie einen Laubfrosch-Teich direkt am Wanderweg. Informationen zum Alt- und Totholzkonzept gibt es hier:

https://www.fva-bw.de/daten-und-tools/monitoring/natura-2000/alt-totholzkonzept

Der Revierleiter zeigte auch auf, wie durch eine professionelle offensive Öffentlichkeitsarbeit das Handeln im Wald allen Waldbesucher*innen verständlich erklärt werden kann. Eindrucksvoll wurde das an wassergefüllten Fahrspuren auf Rückegassen erklärt. „Ohne die Fahrspuren im Wald wäre die Gelbbauch-Unke schon lange in Baden-Württemberg ausgestorben!“, ist sich Seitz sicher. Diese These klingt provokativ, wurde aber bereits von mehreren Amphibien-Experten sowie einem Forschungsteam der Uni Hohenheim bestätigt (www.unkenschutz-bw.de).

Dennoch gilt auch das Bodenschutzkonzept in Herrenberg, d.h. Schäden durch Forstmaschinen an den Rückegassen werden vermieden. Gleichzeitig wird dafür gesorgt, dass pro Hektar Waldfläche ausreichend Feuchtbiotope für die Gelbbauch-Unke geschaffen werden. Der Wald wird damit zu einem Asyl für die Offenland-Art Gelbbauch-Unke, denn in den Auelandschaften und im Offenland sind Biotope für Amphibien rar geworden.

Als Abschluss zeigte Winfried Seitz noch das spannende Projekt „Waldweide“ im Kayher Täle. Dort grasen von Mai bis Oktober 4-5 Galloway-Rinder. „Wir möchten mit dem Waldweideprojekt auf die historische Waldnutzungsform hinweisen und den Waldbesucher*innen zeigen, wie der Wald früher auch genutzt wurde“, erklärt Seitz. Mit der Waldweide sollen auch seltene Vögel und Insekten gefördert werden. Der Hobby-Ornithologe Seitz sieht mittlerweile entlang der Waldweide deutlich mehr Halsband- und Grauschnäpper sowie Waldschnepfen. Für die Waldbesucher*innen wird gerade noch eine Aussichtsplattform an der Weide gebaut, man möchte besonders auf ältere Menschen eingehen. Winfried Seitz freut sich über die neue Attraktion im Stadtwald Herrenberg und ist sich sicher, dass auch zukünftig noch weitere Entwicklungen im Bereich des angewandten Naturschutzes geben wird.