Kurzbericht zur Diskussionsrunde mit Chris Kühn am 03.12.2019
Veröffentlicht am: 09. Dezember 2019
Am 03.12.2019 diskutierte der Bundestagsabgeordnete Chris Kühn von Bündnis 90/DIE GRÜNEN mit rund 75 Studierenden der Hochschule Rottenburg über Umweltpolitik.
Eingangs berichtete Herr Kühn von seinem politischen Arbeitsalltag im Bundestag sowie seinen derzeitigen Arbeitsschwerpunkten. Daran schloss sich eine sehr intensive 90-minütige Diskussion an, in der fachliche Fragen einzelner Politikbereiche aber auch übergeordnete Fragen zur umweltpolitischen Praxis diskutiert wurden. Darüber hinaus interessierten sich die Studierenden für persönliche Aspekte aus Herr Kühns politischem Alltag.
Mit Blick auf die konkreten umweltpolitischen Problemfelder stand neben weiteren Themen, wie z.B. Artenschutz, insbesondere die Klimapolitik im Mittelpunkt. Dabei ging es z.B. um die Frage, was das Ziel Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts politisch erfordert. Zudem wurde besprochen, ob und wie Suffizienz politisch kommuniziert bzw. wie Suffizienz im öffentlichen Diskurs stärker positiv konnotiert werden könnte. Auch die Frage, wie sich der klimapolitische Diskurs durch das Auftreten klimaskeptischer Positionen verändert hat, war Diskussionsgegenstand.
Der Schwerpunkt der Diskussion lag auf übergeordneten Fragestellungen zur umweltpolitischen Praxis an sich. So wurde diskutiert, inwiefern Politik als Subsystem der komplexen modernen Gesellschaft überhaupt eine rationale Steuerungsfunktion übernehmen kann. Auch das schwierige Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft kam mehrfach zur Sprache. Wie ist die Divergenz zwischen wissenschaftlicher Erkenntnislage und umweltpolitischer Praxis zu erklären? Deutlich wurde, dass sich die Vorstellung von Politik als sachrationale Umsetzung eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht halten lässt. Neben die „Verwissenschaftlichung von (Umwelt-)politik“ tritt durch die Uneindeutigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse und deren interessengeleitete Interpretation im Politikbetrieb eine „Politisierung von Wissenschaft“. Wichtiger Diskussionspunkt war zudem die Rolle der Medien, insbesondere der sozialen Medien. Dabei legte Herr Kühn dar, dass die Medien eine wichtige Funktion als „Gatekeeper“ für das politische Agendasetting einnehmen, weshalb politische Akteure viel Aufwand für ihre mediale Kommunikation aufbringen müssen. Strittig war außerdem die Frage, wie viel Radikalität sich eine ökologisch orientierte Partei wie die Grünen in ihren Positionen leisten kann, ohne im demokratischen Wettbewerb Einbußen zu erleiden. Aus internationaler Perspektive wurde besprochen, welche Rolle Deutschland und Europa für eine globale ökologische Transformation einnehmen können bzw. sollen und inwiefern Deutschland von anderen Ländern lernen kann.
Darüber hinaus beantwortete Herr Kühn viele persönliche Fragen. So ging es um seinen Umgang mit Frustration im schwerfälligen umweltpolitischen Prozess, aber auch um persönliche Erfolgserlebnisse. Auch seine Rolle innerhalb der Fraktion und der Umgang mit parteiinternen Konflikten, ebenso wie der Austausch mit Abgeordneten aus anderen Fraktionen, kamen zur Sprache. Herr Kühn legte auch seine alltäglichen Erfahrungen mit Lobbyeinfluss dar und betonte diesbezüglich die Wichtigkeit von mehr Transparenz im Gesetzgebungsverfahren.
Deutlich wurde in der gesamten Diskussion das Spannungsverhältnis zwischen den aus der wissenschaftlichen Analyse drängender Umweltprobleme abgeleiteten Handlungserfordernissen und dem schwerfälligen und komplexen Widerstreit der Interessen im demokratischen Aushandlungsprozess. Insbesondere die bremsende Rolle einflussreicher Beharrungsinteressen wurde vielfach herausgearbeitet und problematisiert. Für die Studierenden ergab sich als Ergänzung zur theoretischen umweltpolitischen Lehre ein wertvoller, wenn auch teilweise ernüchternder Einblick in die umweltpolitische Praxis.