Letzte Urwälder in Mitteleuropa weiterhin stark bedroht
Veröffentlicht am: 27. Mai 2025
Urwälder sind für den Erhalt der Artenvielfalt, als Horte genetischer Information und als Kohlenstoffspeicher äußerst wichtig. Zudem sind sie bedeutende Orte für Bildung und Erholung. Der Anteil von Urwäldern an den Gesamtwaldflächen in der EU ist sehr gering. Die mit großem Abstand größten Vorkommen liegen in den rumänischen Karpaten. Seit dem EU-Beitritt des Landes hat sich der Verlust dieser Waldflächen jedoch stark beschleunigt.

Foto: Durch das wilde Vistea Mare Tal im rumänischen Fagaras Gebirge führt eine populäre Anstiegsroute auf Rumäniens höchsten Gipfel Moldaveanu. Der Pfad ermöglicht eindrucksvolle Urwalderlebnisse.
Urwälder sind in Mitteleuropa sehr selten. Weniger als 1% aller Waldbestände zählen dazu. Ein Großteil davon liegt im Karpatenbogen und dort in den rumänischen Karpaten. Massive illegale und “legalisierte” Einschläge, aber auch ein vielfach nur in der Theorie bestehender Schutzstatus, haben dazu geführt, dass auch die wenigen verbliebenen Urwälder weiter verschwinden. Und das trotz bestehender Verpflichtungen aus nationalem und EU Recht Urwälder und alte Wälder zu schützen. So gibt es für viele Regionen keine oder nur mangelhafte Informationen, welche Urwaldbestände es überhaupt gibt. Gleichzeitig fehlt den Waldbesitzern und der Bevölkerung allgemein die Möglichkeit, Urwälder ökonomisch anders zu nutzen als für den Holzeinschlag.
Das Projekt „Urwälder in (Mittel)Europa – Verantwortung übernehmen für das Europäische Naturerbe (Urwald-Verantwortung)“ das zwischen 2022 und 2025 von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Heidehofstiftung an der HFR gefördert wurde, leistet zum Schutz der Urwälder in Rumänien auf zweifache Weise einen Beitrag. Erstens konnten in zwei Regionen, dem Făgăraș Gebirge und im Nationalpark Domogled-Valea Cernei, verbliebene Urwälder kartiert werden. Dies dient als Grundlage für den Eintrag in das nationale rumänische Urwaldregister. Die Flächen sind zudem Vorschlagsgebiete zur Erfüllung von Verpflichtungen von Rumänien gegenüber der EU, dass alle noch vorhandenen Urwälder als strenge Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Die Erfassung wurde von Freiwilligen unterstützt, die innerhalb des Projektes geschult wurden.
Um regionale Wertschöpfung in den ländlichen Regionen mit Vorkommen von Urwäldern und alten Wäldern unabhängiger vom Holzeinschlag zu machen, wurden Angebote im Bereich des Wildnistourismus entwickelt und pilothaft umgesetzt. Im Ergebnis wurden in den beiden Untersuchungsgebieten beispielhaft vier Pfade nach notwendigen Voraussetzungen identifiziert, die sich für Wildnistouristen eignen. Sie wurden georeferenziert und die Tracks auf Plattformen wie Outdooractive und Komoot veröffentlicht. Es fanden Testwanderungen statt, lokale Akteure wurden auf Basis von Best Practices aus anderen Regionen in der Angebotsentwicklung und Durchführung von geführten Wanderungen geschult. Für die Information von BesucherInnen und allgemein Interessierten wurden Social Media Kanäle bespeist und eine eigene Webseite eingerichtet (www.primaryforests.org).
Von Beginn an erfuhr das Projekt intensives internationales Interesse, was sich in einer hohen Presserezeption darstellt. Erste touristische Reiseanbieter haben Wanderungen in die Testgebiete durchgeführt und Wildnistourismus in ihr Programm aufgenommen. Dennoch ist festzuhalten, dass die Herausforderungen beim Schutz des rumänischen Urwaldes groß sind: der großflächige und teilweise illegale Holzeinschlag dauert an, unterstützt von Korruption und dem Engagement internationaler Konzerne. Damit einher geht der Verlust eines einzigartigen Erholungs- und Bildungsraums und somit nachhaltige Möglichkeiten zur ökonomischen Nutzung von Urwäldern.
Das Projekt wurde geleitet von Prof. Dr. Rainer Luick und Prof. Dr. Monika Bachinger und in Kooperation mit Matthias Schickhofer und Ion Holban umgesetzt.
Publikationen:
- Bachinger, M., Holban, I., Luick, R., Schickhofer, M. (2025). Changes in the Touristic Attractiveness of Wild Forests Due to Forestry Activities? The Case of Romania’s Făgăraş Mountains. Sustainability, 17(10), 4413. https://doi.org/10.3390/su17104413
- Luick, R., Bachinger, M., Holban, I., Schickhofer, M. (2025). Respect for the last remaining European Virgin Forests “Urwälder in (Mittel)Europa – Verantwortung übernehmen für das Europäische Naturerbe (UrwaldVerantwortung)”, Final Report, Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR), Rottenburg a. Neckar. | PDF
- Luick, R., Reif, A., Schneider, E, Fodor, E. & Grossman, M. (2021): Virgin Forests at the Heart of Europe -The importance, situation and future of Romania’s virgin forests.
Kontakt:
Prof. Dr. Monika Bachinger
Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg
Schadenweilerhof
72108 Rottenburg
Pressekontakt:
Petra Martin (Pe.martin@hs-rottenburg.de)