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Jagdliches Knowhow für Japan?

Veröffentlicht am: 11. Dezember 2018

Der fachliche Austausch mit den japanischen Kooperationspartnern der Hochschule für Forstwirtschaft (HFR) ist mit dem erfolgreich abgeschlossenen Workshop zum Thema Jagd und Wildtiermanagement in Deutschland um eine wichtige Facette reicher geworden (03.-07.12. HFR).

Bereits im Frühjahr 2017 hatte sich eine erste Delegation der japanischen Partnerakademie in Gifu, der Gifu Academy of Forest Science and Culture (GAFSC), zu diesen Themen an der HFR ausgetauscht und Gespräche mit Jagdverbänden, Jägern und Dozenten geführt. Beim 2. Deutsch-Japanischen Forstsymposium in Japan im Herbst 2017 war das Thema Jagd und Wildschadensbekämpfung eines der vier Schwerpunktthemen und erreichte eine breite und interessierte Zuhörerschaft bei den Vorträgen und Diskussionen unter Beteiligung der HFR. Grund genug, diese Zusammenarbeit zu intensivieren und einen Workshop mit Diskussionen, Exkursionen und Vorträgen zu veranstalten.

Die Professoren Thorsten Beimgraben und Rainer Wagelaar hatten hierzu für die japanischen Kollegen ein intensives fünf-tägiges Programm erarbeitet, das neben der reinen Theorie auch einen hohen Anteil an jagdpraktischen Elementen aufwies. Die neunköpfige Delegation aus Gifu um den Jäger und Jagddozenten der GAFSC, Herr Prof. Akiyoshi Isaji, wurde entsprechend am ersten Tag gleich in der Waffenkammer der Hochschule in Empfang genommen. Für einige der begleitenden Studenten war es die erstmalige Möglichkeit überhaupt Jagdwaffen unterschiedlichen Typs in der Hand zu halten. Im weiteren Verlauf des Programms sollten sie an den Folgetagen noch die Gelegenheit zu einem "scharfen Schuss" bekommen, dies dann jedoch in einem angeleiteten Schießtraining. "Dass unsere Studenten diese Erfahrung machen, ist in Japan undenkbar und daher umso wertvoller, " zeigte sich Prof. Isaji begeistert und dankbar und ergänzte "In Japan fehlt es uns an jungen Menschen, die sich für die Jagd begeistern lassen. Jagd ist schlichtweg nicht cool".

Die Jägerschaft in Japan ist tatsächlich überaltert, der Anteil der über 60-jährigen Jäger ist extrem hoch. Die Zahl der Jäger insgesamt und insbesondere derjenigen, die eine Schusswaffenlizenz haben, hat in den letzten Jahren massiv abgenommen. Zugenommen haben im gleichen Zeitraum die Wildbestände vor allem bei den Sika-Hirschen und Wildschweinen, die große Schäden in der Forst- und Landwirtschaft verursachen. Die hohe und politisch gewollte Hürde eine Schusswaffenlizenz zu erhalten ist einer der großen Unterschiede zwischen den Jagdsystemen in Deutschland und in Japan. Ein weiterer ist das Jagdsystem an sich, das eben keine Jagdreviere mit klaren Zuständig- und Verantwortlichkeiten kennt, sondern dem Inhaber einer Jagdlizenz das Jagen in allen zugänglichen Wäldern ermöglicht. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Wildschadensbekämpfung für die Landwirtschaft von einer höheren Dringlichkeit ist, als im Forst. Landwirte werden beim Erwerb einer Fallenlizenz, zum Beispiel für den Einsatz von Saufängen etc., seitens der Regierung finanziell unterstützt, vergleichbare Subventionen im Forst gibt es kaum.

Die Teilnehmer des Workshops konnten schließlich auch an drei Jagdveranstaltungen in der Region teilnehmen; als Höhepunkt dabei sicher die Hochschuljagd der HFR im Lehrwald Rammert, bei der die Delegation aktiv als Treiber eingesetzt wurde und Teil der Jagdgesellschaft sein durfte: ein weiteres intensives Erlebnis zum Verständnis der Situation in Deutschland.

Neben den Vertretern der Akademie war auch ein passionierter Jäger und Vize-Vorsitzender einer örtlichen Jagdvereinigung Teil der Gruppe, der sich vor allem von der professionellen und effektiven Durchführung dieser Drückjagd beeindruckt zeigte.

Auch waren zwei Mitarbeiter von großen Forstunternehmen der Präfektur Gifu dabei, die sich neben der Jagd auch zu den Themen Holzerntetechnik und hierbei vor allem dem Einsatz von Seilkrananlagen in Steillagen und in dichten Beständen informieren wollten. Eine Tagesexkursion in den Schwarzwald, organisiert von Prof. Sebastian Hein, zu ausgewählten Zielen in Triberg, Rippoldsau und am Kniebis, begleitet durch Mitarbeiter der Fa. Franz Hochleitner, Bodman, und der staatlichen, forstlichen Maschinenbetriebe St. Peter und Schrofel ermöglichte einen umfassenden Einblick in die Einsatzmöglichkeiten von Seilkrananlagen und Forstfahrzeugen wie Forwardern und Schleppern.

"Die Japaner sind immer für jegliche Art von Technik zu begeistern" so Prof. Hein, "Die Herausforderung für uns ist dabei, die Balance von Technik und naturnahem Waldbau zu finden, so wie sie letztlich auch in Japan praktische Anwendung finden könnte. Einen für die dortigen Verhältnisse überdimensionierten Harvester vorzustellen wäre daher nicht zielführend."

Ein weiterer Höhepunkt war der gut besuchte und hoch informative Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe Jagd an der Hochschule von Prof. Isaji, der rund 80 Zuhörer anlockte und die Anwesenden in eine sowohl geographisch als auch kulturell weit entfernte Jagdwelt entführte. Die Vielzahl an guten Fragen belegte nicht zuletzt das große Interesse am Thema und die Qualität des Vortrags von Prof. Isaji. Wenngleich sich die zahlreich anwesenden Forststudenten sehr verwundert über die offensichtlich vorhandenen Unterschiede bei Aspekten des Tierschutzes und der Jagdethik zeigten, doch so sei auch dies ein "wichtiges Lehrstück und Teil der jagdlichen Realitäten" unterstrich Prof. Beimgraben die Wirkung des Vortrags.

Der Austausch zu jagdlichen Themen soll fortgeführt und ausgebaut werden, die japanische Seite kann dabei gerade von der Jagdwirtschaft in Deutschland wie sie an der HFR gelehrt wird in hohem Maße lernen. Der sich in Deutschland andeutende Trend eines Einsatzes von Fallen vor allem für den Fang von Schwarzwild, ist in Japan längst alltägliches, waidmännisches Handwerk und kann als Informationsquelle von Relevanz sein. Die Afrikanische Schweinepest ist unlängst auch in einem Zuchtbetrieb in Japan aufgetreten, in Deutschland lässt der erste Fall bislang noch auf sich warten. Aber auch dies ein brisantes und hochaktuelles Thema, zu dem sich gemeinsam forschen und arbeiten ließe.

Mit dem jagdlichen Workshop geht ein für die HFR erfolgreiches Jahr im Austausch mit den japanischen Kooperationspartnern zu Ende. Im März 2019 geht es dann weiter mit einem gemeinsam Workshop zum Thema Holzbau in Deutschland und Japan.

Weitere Informationen: Christoph End: <link>end@hs-rottenburg.de 

Prof. Dr. Thorsten Beimgraben: <link>beimgraben@hs-rottenburg.de (Jagdwirtschaft & Wildtierökologie)

Prof. Dr. Sebastian Hein: <link>hein@hs-rottenburg.de (Japan-Kontakte & Japan-Projekt KoWald2)