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Studierende aus Rottenburg lernten die Forst- und Holzwirtschaft Südbrasilien kennen

Veröffentlicht am: 11. Juli 2019

Wie werden Wälder in Südbrasilien bewirtschaftet und welche Produkte werden aus Eukalyptus- und Kiefern-Plantagenholz gefertigt? Und wie sieht es mit der Bedeutung des Naturschutzes aus? Mit diesen Leitfragen starteten am Sonntag, den 24.02.2019 dreizehn Forst- und Holzwirtschaftsstudierende sowie drei externe Personen unter der Leitung von Professor Dr. Bertil Burian und Amanda Frommherz zu einer zwölftägigen Exkursion in den Bundesstaat Paraná nach Südbrasilien.

Studierende der Forst- und Holzwirtschaft aus Rottenburg begaben sich 12 Tage auf Exkursion nach Südbrasilien

Durch die finanzielle Unterstützung der Unternehmen BaHo, Klenk Holz AG, Sägewerk Kess, Rettenmeier Holzindustrie, Schwörer Haus und der Eva Mayr-Stihl Stiftung sowie des Fördervereins der Hochschule war es den Studierenden möglich die Reise zu unternehmen und vertiefende Einblicke in die Natur, Kultur sowie Forst- und Holzwirtschaft Brasiliens zu erhalten.

Als Land mit der zweitgrößten absoluten Waldfläche der Welt ist Brasilien ein Traumziel für alle Förster und Holzwirtschaftler. In Curitiba angekommen, stand als erstes eine dreistündige Führung durch die Innenstadt auf dem Programm, um tiefergehende Einblicke in die Kultur, Historie, Baukultur und Architektur Brasiliens zu erlangen. Auch konnten gleich erste positive Erfahrungen mit der brasilianischen Lebensweise und Mentalität gemacht werden. Zugleich wurde die Bedeutung der Baumart Araukarie (Araucaria angustifolia), als Symbol für das Land Paraná und seine Bewohner, eindrucksvoll dargestellt.

Fachlich startete die Exkursion mit dem Besuch der „Embrapa Florestas“, der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Brasiliens. Nach einer kurzen Darstellung der Forschungsanstalt und deren Forschungsfelder, erklärte Dr. Erich Schaitza die wichtigsten Voraussetzungen für das Züchten und den Anbau von Eukalyptus- und Kiefernarten. Die Studierenden bekamen nicht nur Einblicke in das Klonen von Bäumen, sondern auch in aktuelle Forschungsprojekte mit der Zellstoff- und Papierindustrie.

Einen großen Kontrast dazu stellte eine mehrstündige Wanderung durch einen subtropischen Regenwald dar, der durch seine Artenvielfalt in Flora und Fauna beeindruckte. So erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ebenfalls, dass alle Primärwälder in Südbrasilien per Gesetz unter Naturschutz stehen und somit nicht genutzt werden dürfen.

Zwei Tage lang besuchte die Gruppe die Fa. Klabin in Ortigera, ein Unternehmen, das auf die Herstellung von Zellstoff und Papier spezialisiert ist. Am ersten Tag wurden eindrucksvoll der Waldbau und die Bewirtschaftung von forstlichen Eukalyptus- und Kiefern-Plantagen erklärt und vor Ort gezeigt. Nach Besichtigung des neuen Forschungs- und Entwicklungszentrums standen Themen, wie die Züchtung von Eukalypten in der betriebseigenen Pflanzschule, mögliche Verfahren zur Bestandesbegründung sowie die Besichtigung der vollmechanisierten Holzernte an. Intensiv wurde die Art der Waldbewirtschaftung (Plantagen-Forstwirtschaft), die mit dem Einsatz von Chemikalien, einer flächigen Bodenbefahrung und einer Kahlschlagswirtschaft verbunden ist, vor dem Hintergrund diskutiert, dass in Deutschland Waldflächen stillgelegt werden und dafür Zellstoff importiert werden muss. Am zweiten Tag wurden zwei Zellstoffwerke besichtigt, anhand deren Größe die Herausforderungen in der Rohstoff-Logistik über die Produktionssteuerung bis hin zum Vertrieb eindrucksvoll visuell und verbal dargestellt wurden. Besonders beeindruckten die Zahlen zum Werk PUMA, dass ein Rundholzlager im Werk von 300.000 m³, das nicht einmal die Produktionsmenge von 2 Wochen abdeckt. Täglich kommen ca. 350 Rundholz-LKW`s sowie 150 weiteren LWK`s mit einem Gesamtgewicht von jeweils 60t an, um die Produktion sicherzustellen. Die hergestellt Produkte werden fast ausschließlich nach Nordamerika und Europa exportiert.

Mit dem Besuch der Firma Berneck in Curitiba wurde ein klassisches Holzcluster besichtigt. Neben einem Sägewerk mit 800.000 Festmeter Jahreseinschnitt sind an diesem Standort zudem jeweils ein Spanplatten- (550.000 m³/a) und MDF-Werk (ca. 270.000 m³/a) ansässig. Zur eigenen Rohstoffversorgung unterhält Berneck ebenfalls eigene forstliche Plantagen. Interessante Einblicke erhielt die Gruppe nicht nur in die Produktion der jeweiligen Produkte, sondern ebenfalls zu den wichtigsten Exportabsatzmärkten. Dabei überraschte die Studierenden, dass alle drei Werke einer deutschstämmigen Auswandererfamilie gehören.

In einem weiteren mittelständischen Sägewerk mit Weiterverarbeitung (Firma Araupel, Guarapuava) konnten die Wege von der Rundholzsortierung bis zur Verarbeitung des erzeugten Schnittholzes betrachtet werden. Beeindruckend war die Weiterverarbeitung zu verschiedenen Hobelprodukten, die v.a. für den europäischen Markt hergestellt werden. Ein Highlight stellten Türplatten aus keilgezinkten, starkastigen Schnittholzreststücken dar, die speziell für den indonesischen Markt hergestellt werden. Die astfreien und höherwertigen Platten werden hingegen überwiegend für den amerikanischen und europäischen Markt produziert.

Der vorletzte Tag stand unter dem Thema Möbelbau. Bei den Unternehmen Polo Moveleiro und Interlink e Katzer, beide in der Nähe von São Bento do Sul im südlich angrenzenden Bundestaat Santa Catarina ansässig, konnte die Weiterverarbeitung von Schnittholz und verschiedener Holzwerkstoffe zu unterschiedlichen Möbelstücken kennengelernt werden. Die Unternehmen produzieren v.a. Betten und Schränke v.a. für den amerikanischen, aber auch für den südeuropäischen Markt.

Ein weiteres Thema der Exkursion war der brasilianische Wohnungsbau in Holzbauweise. Das Unternehmen Campo Largo aus Curitiba stellte die beiden gängigsten Holzbauweisen in Brasilien vor. So bietet das Unternehmen von der Planung bis zur Fertigstellung alles aus einer Hand an. Sichtlich überrascht waren die Studierenden, dass einerseits der Kunde nach Abschluss der Planung visuell einen Rundgang in 3D durch sein fertig eingerichtetes Haus machen kann andererseits aber die für die Konstruktion benötigten Holzprodukte in Handarbeit ohne große technische Unterstützung hergestellt werden.

Ein besonderes Highlight der Exkursion stellte der Besuch der Wasserfälle von Iguacu dar. Auf einer Breite von 2.700m und einer Fallhöhe zwischen 60 und 80m stellen die Wasserfälle ein sehr imposantes Naturschauspiel dar. Im angrenzenden Vogelpark erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wiederum tiefergehende Einblicke in die Flora und Fauna Brasiliens. Auch der Besuch des Itaipu Staudamms, der das zweitgrößte Wasserkraftwerk der Welt beheimatet, ermöglichte viele neue Eindrücke zu sammeln. Mit einer Staumauerbreite von knapp 8km und einer Höhe von knapp 200m ist der Staudamm ein imposantes Bauwerk, das 20% des brasilianischen Stromverbrauchs mit 18 Turbinen produziert.

Der Besuch der Cooperativa Agrária Agroindustrial in Entre Rios, einer von Donauschwaben nach dem zweiten Weltkrieg gegründeten Genossenschaft, war für viele eine Überraschung, da man nicht Mitten in Brasilien mit einer deutschen Gemeinde gerechnet hätte. Im dortigen Kulturzentrum erhielten die Teilnehmer Einblicke in die Geschichte der Donauschwaben, deren Lebensweise und Herausforderungen nach ihrer Ankunft. Mit der Gründung Ihrer Genossenschaft wurden sie in der Landwirtschaft zu einem für Südbrasilien sehr bedeutenden Unternehmen.